Die #metoo-Debatte hat den Diskurs um sexualisierte Gewalt verändert – doch das reicht nicht aus
Von Hannah Schultes und Bahar Sheikh
Worum geht es bei dem Hashtag metoo? Die Antwort auf diese Frage lautete in der medialen Debatte oft: Sichtbarkeit und Empathie. Empathie, weil es Betroffenen von sexualisierter Gewalt gegenüber an Verständnis und Einfühlungsvermögen mangele. Und Sichtbarkeit, weil diese – Belästigung, Übergriffe, Vergewaltigung – eben sonst kaum wahrgenommen würden.
Feministinnen wandten dagegen ein, für Frauen sei die Gewalt sehr wohl sichtbar, da sie diese selbst erlebten und untereinander darüber redeten. Männer seien hingegen »überrascht«, das Ausmaß der Erfahrungen von Frauen mit sexueller Belästigung und Übergriffen wäre ihnen bisher also verborgen geblieben. Aber zu einer bestimmten Anzahl an Erfahrungen von Frauen mit sexueller Belästigung, Übergriffen und Vergewaltigung durch Männer gehört auch eine entsprechende Anzahl von Männern, die diese ausüben.
Fast scheint es wieder so, als ginge es bei sexualisierten Übergriffen und sexualisierter Gewalt um eine kleine, überschaubare Gruppe »schlechter Männer«. Denn wie sonst könnten so viele von ihnen in erster Linie überrascht statt beschämt sein?
Die millionenfachen #metoo-Postings haben den Diskurs verändert und das Tabu rund um sexualisierte Übergriffe und Gewalt – zumindest für ein paar Wochen und in der medialen Öffentlichkeit – gebrochen. Wenn klar wird, dass diese Erfahrungen alltäglich sind, heißt das aber noch lange nicht, dass es »normal« ist, dass Frauen belästigt, missbraucht, vergewaltigt werden. Die Veränderung des Diskurses bleibt folgenlos, wenn die Sichtbarkeit von sexualisierter Gewalt nicht mit der Ansage verbunden wird, diese in Zukunft nicht mehr zu akzeptieren.
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